Der Familiensenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle hat im Februar 2020 entschieden, dass das Sozialamt ein Sparguthaben, das die jetzt sozialhilfebedürftige Großmutter für ihren Enkel über Jahre angespart hatte, herausfordern kann.
Die beklagte Großmutter hatte für ihre beiden Enkel nach deren Geburt jeweils ein für 25 Jahre angelegtes Sparkonto eröffnet und darauf über einen Zeitraum von etwa elf und neun Jahren jeweils monatlich 50 Euro eingezahlt, um für die Enkel zu sparen. Die Großmutter bezog eine Rente von etwa 1.250 Euro. Sie musste schließlich vollstationär in einer Pflegeeinrichtung untergebracht werden. Die Zahlungen an ihre Enkel hatte sie zwar bereits eingestellt. Die für die Heimunterbringung von ihr anteilig zu tragenden Kosten konnte sie aber dennoch aufbringen. Der Sozialhilfeträger kam für diese Kosten auf und verlangte von den Enkeln die Rückzahlung der Beträge, die die Großmutter in den letzten zehn Jahren auf die Sparkonten der Enkel eingezahlt hatte.
Das LG wies die Klage ab, weil es sich bei den geleisteten Zahlungen um "Anstandsschenkungen" § 534 BGB handele, die nach dem Gesetz nicht zurückgefordert werden könnten. Dagegen legte der Sozialhilfeträger Berufung zum OLG ein.
Das OLG hat das LG-Urteil geändert und die Enkel zur Zahlung der zurückgeforderten Beträge verurteilt. Die von der Großmutter regelmäßig zum Kapitalaufbau an die Enkel geleisteten Zahlungen stellten weder eine sittlich gebotene "Pflichtschenkung" noch eine auf moralischer Verantwortung beruhende "Anstandsschenkung" dar. Als solche könnten zwar anlassbezogene Geschenke etwa zu Weihnachten und zum Geburtstag zu werten sein, die die Enkel ebenfalls von ihrer Großmutter bekommen hätten. Hier spreche aber nicht nur die Summe der jährlich geleisteten Beträge in Anbetracht der finanziellen Verhältnisse der Großmutter gegen ein dem Anstand entsprechendes Gelegenheitsgeschenk, auch der Zweck der Zuwendungen (Kapitalaufbau) spreche gegen eine solche Charakterisierung der Zahlungen, die gerade nicht als Taschengeld an die Enkel geleistet worden seien. Irrelevant für den geltend gemachten Rückforderungsanspruch sei, ob es bei Beginn der Zahlungen für die Großmutter absehbar war, dass sie später einmal pflegebedürftig werden würde.
Deshalb ist große Vorsicht auch bei nett gemeinten vermeintlich unproblematischen Zahlungen an andere geboten, zumal wenn die Pflege- und Altersvorsorge nur dürftig ist, so dass jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Sozialamt einmal einspringen muss.